TECHNIK im VERGLEICH: MotoGP vs. Straßen-Motorrad
Was unterscheidet die Renn-Maschinen von deinem Motorrad?
Eigentlich fast ALLES
Eines gleich vorweg: Die MotoGP Prototypen gibt es nicht zu kaufen - aber geschätzt werden die Werkzeuge von Marc Márquez & Co. auf einen Wert von 2 Millionen Dollar aufwärts.
Pro Stück immerhin sind es die unangefochtenen schnellsten einspurigen Fahrzeuge, die von
12. bis 14. August auf dem Red Bull Ring unterwegs sein werden.
Was macht eigentlich den Unterschied zu jenen Motorrädern aus, die du um ein Hundertstel dieses Preises kaufen kannst und fahren darfst?
Ein Vergleich:
Motor
Die 1000 cm³ Hubraum der MotoGP und Vierzylinder-Bauweise sind auch bei den großen Straßenmaschinen Standard, also wo kommt die Mehrleistung her?
Zunächst rauben weder Katalysator, noch Schalldämpfer Kraft.
Den Rest besorgen nutzbare Drehzahlen von über 16.000 U/min, ermöglicht durch pneumatische Ventilsteuerung: Druckluft schließt die Motorventile schneller und verlässlicher, als es vergleichsweise träge Metallschraubenfedern könnten.
Im Rennsport ist diese Technologie essentiell, für die Straße schlicht unbrauchbar.
Getriebe
Aus der Formel 1 stammt das sogenannte Seamless Getriebe.
Diese elektromechanischen Wunderwerke vollziehen den Wechsel der Gangstufen quasi verschliffen, ohne Kupplungseinsatz und Zugkraftunterbrechung.
Davon profitieren Traktion und Fahrer, nicht unerheblich bei 500 bis 800 Schaltvorgängen pro Rennen.
Auf den Rennstrecken üblich: Die "verkehrte" Bedienung des Gangwahlhebels, das heißt erster Gang rauf, Rest runter.
Nur so funktioniert das Hochschalten in Schräglage.
Die Übersetzungsverhältnisse werden natürlich Rennen für Rennen angepasst.
Bremsen
Für Straßenmotorräder sind Metall-Bremsscheiben ausreichend, doch ein MotoGP Fahrer zieht bis zu 30% der Rennzeit am Bremshebel. Die Lösung lautet Carbon-Keramik-Bremsscheiben für das Vorderrad.
Sie messen je nach Strecke 320 oder 340 mm Durchmesser, sind leichter und vertragen wesentlich höhere Temperaturen - 800 statt 600 °C ohne Fading.
Bei Regen wird hingegen Stahl verwendet, denn Carbon käme nicht auf Arbeitstemperatur.
ABS, wie in der Serie inzwischen üblich, gibt es in der MotoGP übrigens keines.
Reifen & Räder
Profillose Slicks sind auf der trockenen Rennstrecke Usus, auf der Straße wegen der Unfahrbarkeit bei Nässe illegal.
Die Reifenmischungen unterscheiden sich je nach Strecke erheblich, am Sachsenring brachte Michelin erstmals einen asymmetrischen Aufbau zum Einsatz.
Felgen werden aus ultraleichten Magnesium angefertigt, ihr Durchmesser beträgt seit 2016 die handelsüblichen 17 Zoll (statt 16,5) - mit ein Grund für das schwierige Handling der diesjährigen Bikes.
Fahrwerk & Chassis
1.5 g Bremsbeschleunigung und Schräglagen von über 60 Grad - Schwerarbeit für die Vorderradaufhängungen in der MotoGP. Deshalb sind die Upside-down-Gabeln mit 48mm deutlich stärker als gewöhnlich.
Federrate, Verspannung und Dämpfung (Zug- und Druckstufe getrennt) ist wie beim Federbeinen im Heck einstellbar. Elektronische Dämpfungssteuerung ist verboten, für die MotoGP aber ohnehin zu langsam.
Was das Chassis, also den Rahmen und die Hinterachsschwinge angeht, so unterscheidet sich ein MotoGP-Bike weniger in der Bauweise, als in den Einstellmöglichkeiten der Fahrwerksgeometrie von der Serie.
Karosserie & Packaging
Die Hüllen von MotoGP-Prototypen sind selbstverständlich aus federleichten Kohlefaser gefertigt - unvorstellbar in der Massenfertigung.
Bei der Gewichtsverteilung und Aerodynamik kann ein Prototyp ebenfalls aggressivere Wege beschreiten.
Ein straßenzugelassenes Bike schleppt eine voluminöse Abgasanlage, sowie Dinge wie Startermotor, Licht, Soziussitz und eine große Batterie mit.
Die umstrittenen Frontflügel werden ab 2017 verboten.
Sensorik & Traktionskontrolle
40 bis 50 Sensoren trägt ein MotoGP Motorrad, vom Reifendruck über verschiedene Motorparameter, Chassisbalance, Schräglage, Position bis hin zu den Drehgeschwindigkeiten von Vorher- und Hinterrad.
Einige füttern die Motorsteuerung, die 2016 stark vereinheitlicht und vereinfacht wurde und die Teams so vor neue Herausforderungen gestellt hat.
Genauso wie käufliche Traktionskontrollen verhindert sie Wheelies und Highside-Crashes, ist in der Rennsportversion hinsichtlich Präzision und sanfter Arbeitsweise aber weit überlegen.
MotoGP-Bikes für jeden
Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist und knapp 188.000 Euro im Sparschwein hat, für den haben wir gute Nachrichten: MotoGP-Technik ist doch käuflich.
Honda bietet mit der
RC213V-S
eine straßentaugliche Replika seines Weltmeisterschaftsmotorrads an, so wie es eins Ducati mit
Desmosedici RR
getan hat.
Freilich ohne pneumatische Ventilsteuerung, Klicks und Carbonbremsen, dafür mit Schalldämpfer, Scheinwerfer, Blinkern, Spiegel, Hupe und Nummerntafelhalter.
Quelle: www.redbull.com