Irgendwann einmal soll ein Motorradfahrer spurlos im Kreisverkehr verschwunden sein. Ohne Orientierung hat er sich wohl in Luft aufgekreiselt. Vielleicht nur eine moderne Legende, aber mit den fünf aktuellen Motorrad-Navis von Becker, Garmin, TomTom und NavGear sollte das nicht passieren. Eigentlich...
An einem seltsam klingenden Ort gäbe es einen urigen Biergarten in ländlicher Atmosphäre. Ausflugstipp. „Findet das Navi schon“, hieß es. Nun gut, versuchen wir es. Würde auch gut in die geplante Testrunde für fünf aktuelle Navisysteme passen. Also Ziel eingeben uuund … nichts. Besagte Ortschaft kennt keines der Geräte. Da der Tippgeber zum Glück zuvor noch den Nachbarort erwähnt hatte, versuchen wir es damit. Dort findet sich der Name als Ortsteil sichtbar auf dem Kartenmaterial im Navi, aber für die Adresssuche nicht erkennbar.
So weit, so schlecht. Doch fahren wir mal dorthin. Erst aber geht es durch dichten Stadtverkehr. Für die Prüfung haben wir uns in Stuttgart ein paar gemeine Kreuzungen mit vielen Fahrspuren, Kreisverkehr-Durchfahrten, Tunneln, blöd gelegenen Abbiegern und Wohngebieten mit Einbahnstraßen-Labyrinthen ausgesucht. Schön zu sehen, wie clever oder doof sich die am Lenker installierten elektronischen Tourguides anstellen. Ein Navi ermittelt eine Ankunft falsch, weil die Zieladresse Luftlinie nur wenige Meter entfernt liegt. Aber ein privates Gartentor versperrt den freien Fußweg, den erforderlichen Slalom durchs Wohngebiet erkennt das System erst bei Weiterfahrt. Ein anderes Navi will uns mitten im Tunnel links gegen die Wand leiten. Häh, was soll das, Lady-Di-Modus?
Alle fünf Kandidaten haben sich wacker geschlagen
Doch genug gelästert, fairerweise muss man sagen, dass sich im unbarmherzigen MOTORRAD-Navitest mit bewusst gestellten Fallen und schweren Aufgaben für die Navisysteme alle fünf Kandidaten von Becker, Garmin, TomTom und NavGear sehr wacker geschlagen haben.
Praktisch und unterwegs
Für Käufer und Nutzer der Geräte zählt vor allem der Praxiswert bei der Motorrad-Navigation unterwegs. Außerdem haben wir aber auch noch andere Testkriterien.
Navigationspraxis: Eine definierte Testrunde wird als Route eingegeben. Wie präzise und schnell navigiert das System? Außerdem relevant: die Akku-Laufzeit.
Motorradtauglichkeit: Übersichtlichkeit des Displays (auch bei starker Sonneneinstrahlung), Bedienung mit Handschuhen, Handhabung der Halterungen, Sprachübertragung in Fahrt. Wie verhält sich das Navi auf dem Motorrad?
Funktionalität: Findet das Navi schnell eine Satellitenverbindung? Gut auch, wenn Menüführung, Zieleingabe und Bedienkomfort dem Nutzer entgegenkommen. Wie umfangreich ist das Kartenmaterial?
Routenplanung: Routenimport, Umplanen auf Tour und spezielle Routing-Funktionen (kurvenreiche Strecken suchen etc.) für Motorradfahrer sind für die Wertung relevant.
Ausstattung/Verarbeitung: Was beinhaltet der Lieferumfang? Wie sauber sind Gerät und Halterungen verarbeitet?
Ohne Frage: Navigieren können die Geräte, und normalerweise führen sie gut zum Ziel. Bei Preisen zwischen 270 bis 600 Euro darf man dies auch erwarten. Zum Vergleich: Sehr brauchbare Autonavis gibt es schon um 150 Euro. Motorradnavis müssen aber über eine viel robustere Hardware verfügen, und das kostet. Die Gehäuse sollten staub- und wasserdicht sein (IPX7-Standard, erfüllen alle Geräte im Test), denn bei Regen und Fahrtwind herrschen am Lenker raue Bedingungen. Halterungen müssen dauerhaft Vibrationen standhalten. Bewährt haben sich Produkte der amerikanischen Marke RAM Mount, auf die auch alle Hersteller im Test bis auf NavGear zurückgreifen.
Schön auch, dass alle Hersteller (wieder bis auf NavGear) lebenslang kostenlose Kartenupdates bieten. Falsche Erwartungen wecken hingegen motorradspezifische Features wie automatische Berechnungen für attraktive Motorradstrecken. Die beiden jüngsten Herausforderer von Becker und TomTom verfügen zwar über individuell steuerbare Algorithmen, wofür Lob gebührt, aber die Testergebnisse waren allenfalls befriedigend. Nun noch zur Frage, ob der abgelegene Biergarten gefunden wurde. Ja, wurde er. Immerhin leitete der TomTom Rider 400 richtig. Die anderen Geräte schickten uns zu gesperrten Wirtschaftswegen – brumm, brumm, brumm, immer schön im Kreis herum – Hauptsache nicht ans Ziel. Und wenn wir nicht gestorben sind, dann kreiseln wir noch heute.
Bis die Geräte in der Praxis zur vollsten Zufriedenheit laufen, kostet es viel Zeit, Geduld und meistens einen Anruf bei der Service-Hotline. Hard- und Software müssen dauernd aktualisiert werden und harmonieren oftmals nicht gut miteinander. Bei den mitunter hohen Anschaffungspreisen fällt es schwer, auch nur ein System mit „sehr gut“ zu adeln. Das NavGear Tourmate N4 fällt qualitativ etwas ab, aber robust und haltbar sind alle Geräte und Halterungen. Sie eignen sich gut zum Motorradfahren. Aber beim Kernthema Navigation: fern ab von Perfektion. Der TomTom Rider 400 macht es noch am besten.